Eigentlich wollte ich Dir in aller Ruhe Schritt für Schritt erzählen was aktuell so alles passiert in China und speziell in meinem Umfeld in Zeiten der Quarantäne. Verschiedene Berichte zum Leben in der Quarantäne sind in Vorbereitung und werden in der nächsten Zeit hier zu lesen zu sein. Nun aber mache ich einen Zeit- oder besser Aktualitätssprung zur derzeitigen Situation.
Keine drei Tage ist es nun her das uns hoffnungsfroh verkündet wurde das der Lockdown in Taicang aufgehoben wurde und wir uns wieder frei bewegen können. Auch wenn es noch gewisse Einschränkungen gibt, Restaurants sind geschlossen nur nur take away ist möglich und die öffentlichen Verkehrsmittel einschließlich Taxi und Mietwagen dürfen noch nicht benutzt werden. So haben wir in den letzten Tagen die Möglichkeit der sehr preiswerten rent a byke Fahrräder genutzt um die Gegend zu erkunden, aber auch um weitere Grundnahrungsmittel zu kaufen. So waren wir noch gestern Nachmittag im nahegelegenen Supermarkt (siehe auch meinen Blogeintrag „Essen und Einkaufen“ der noch folgt 😊) um einige weitere Grundnahrungsmittel zu bevorraten, da meine Mitbewohnerin mir ihr Gefühl mitteilte das unsere Freiheit wohl nicht lange währen würde und der nächste Fall sozusagen schon vor der Türe stünde (wie recht sie damit wortwörtlich behalten sollte).
Während wir also einkaufen erreichen uns Informationen und Bilder von einem anderen Supermarkt in Taicang in dem ein positiver Fall einer Mitarbeiterin entdeckt wurde und sehen Bilder von hektisch davonstürmenden Kunden die verhindern wollen das sie für zwei Wochen in einer unfreiwilligen Quarantäne in einem Supermarkt verbringen müssen. Die Pinguine haben dabei alle Hände voll zu tun wenigstens ein paar Kunden einzufangen und im Markt zu behalten.
Nachdem wir also wieder einmal mit gefüllter IKEA Tasche (nur diesem Produkt traut man hier die Haltbarkeit zum Transport von mehr als fünf Kilogramm zu) auf dem Fahrrad balancierend (über meine derzeit nicht aktuelle Krankenversicherung berichte ich später im Blog) zu Hause angekommen sind, alles verstaut und das Dinner vorbereitet und beendet haben, gingen wir ins Basement des Nachbarhauses in dem sich eine Tischtennisplatte befindet und trafen uns wie jeden Abend mit unserer Tischtennis Gruppe (also nicht nur als Wechat Gruppe – sondern tatsächlich real – auch wenn alle in den Spielpausen sofort Bilder vom Spiel und anderes auf Wechat posten) und begannen unser Turnier.
Ich bin jetzt seit zwei Wochen dabei und am Anfang merkte man mir doch sehr an das ich etwa fünfzig Jahre nicht mehr gespielt habe und so wurde ich von einem Spieler zum anderen durchgereicht und verlor meistens 11:0 oder 11:1. Da meine Mitbewohnerin eine leidenschaftliche und sehr gute Spielerin ist, bat ich sie mich in den letzten Wochen tagsüber zu trainieren, was zum Resultat hatte das ich nun im guten Mittelfeld spiele und auf Grund meiner unorthodoxen Spielweise (meine Mitspieler sagen „Martin – Methode“) da ich auf Grund meiner Körpergröße den Ball bei jeder Annahme in eine andere Ecke zurückschlage und manchmal eben auch in die gleiche) für jede Menge Spaß sorge.
Gestern Abend gesellte sich ein etwa zehnjähriger Junge zu uns und aus lauter Übermut fragten wir ihn ob er mitspielen wolle. Die Wahl des ersten Spieles fiel auf mich (weiß nicht warum) und der Knabe besiegte mich doch tatsächlich sehr deutlich. Die anderen lachten, aber dann doch nicht mehr sosehr, da er tatsächlich alle professionellen Spieler abzockte – wobei wir viel Spaß hatten.
Plötzlich tauchte der Vater des Knaben auf und es wurde relativ hektisch etwas besprochen und ich dachte es ist entweder zu spät für den Jungen (es war immerhin schon 22:00) oder wir wurden wegen der Ruhestörung angesprochen.
Auf jeden Fall verließ der Vater mit seinem Sohn den Spielplatz und auch wir anderen machten uns etwas zügiger auf den Weg nach Hause. Meine Anfragen an meine Mitbewohnerin was denn der Grund für den plötzlichen Aufbruch sei, blieb wie immer zunächst unbeantwortet da, frei nach dem Motto „first things first“, erst verschiedene messages oder anderes auf WeChat erledigt werden mussten. Ich trottete also brav hinter ihr her um Richtung Wohnung zu gelangen (wie ich unschwer feststellen konnte) ohne es zu unterlassen doch beharrlich nachzufragen was denn nun der Grund für unseren überstürzten Abgang gewesen sei.
Bevor ich ihr eine massage auf WeChat schicken konnte um darüber zu kommunizieren, bekam ich tatsächlich die Antwort das es einen neuen corona Fall in unserem compound oder Dorf gegeben habe und wir uns unverzüglich wieder in unsere Wohnungen zu begeben haben. Den Rest kann ich mir selber ausmalen: wieder zwei Wochen Lockdown mit all den entsprechenden Begleiterscheinungen.
Nun ist allerdings erst mal interessant wo denn der Fall aufgetreten ist, denn sollte es in unserem Wohnblock sein, kämen wir in den verschärften Lockdown und sollten wir gar selber betroffen sein (zu diesem Zeitpunkt weiß das noch keiner) gar der Abtransport in ein Quarantänezentrum fällig werden.
Dazu musst Du wissen das bei den täglich stattfindenden PCR Tests jeweils ca. zehn Teststäbchen in eine Reagenzröhre mit Testflüssigkeit gesteckt werden. Ist also eine Probe negativ erhalten die zehn Personen auf ihre App das Resultat das alles okay ist. Wenn allerdings wie in dem vorliegenden Fall eine Probe positiv ist, müssen die zehn Personen getestet und sozusagen selektiert werden.
Wir wissen also bisher nur das es eine positive Probe gab und unser compound bereits per Polizei und jede Menge Pinguine abgeschottet und gesperrt ist. Über unsere Tischtennis WeChat Gruppe informieren wir uns gegenseitig wohin die Pinguin Kontrollgruppe gerade geht. Wir beobachten ebenfalls zwei Gruppen die sich gefährlich unserem Haus nähern und ich male mir für einen Moment aus wie es wohl ist in eine dieser berüchtigten Quarantänestationen zu kommen.
Dabei geht mir natürlich auch durch den Kopf, ob dieser von den Chinesen beschrittene Weg wirklich der einzig mögliche ist. Dazu muss man glaube ich das Ding vom Ende her denken (wie Frau Merkel zu sagen pflegte) und dann muss man sich die Frage stelle was die Alternative zu der jetzigen Vorgehensweise wäre. Das westliche Modell mit hunderttausenden bzw. Millionen (wenn man die USA dazu nimmt) von Toten, würde in den Augen der chinesischen Bevölkerung eine Bankrotterklärung der chinesischen Regierung gleich kommen. Dazu muss man ebenfalls wissen das die Chinesen traditionell (und das seit Jahrtausenden) darauf vertrauen das die Regierung oder Dynastie für ihr Wohlergehen sorgt. War dies bis vor nicht all zu langer Zeit die Bekämpfung des Hungers, so ist der neue Name des Hungers „Gesundheit“. Vieles wird akzeptiert (wie z.B. der Lockdown von 26 Millionen Menschen in Shanghai, aber es wird nicht akzeptiert wenn es nichts zu essen gibt oder eine nicht beherrschbare Krankheit die Bevölkerung trifft – dann kann es zu einem Problem für die Herrschenden werden. Obwohl die chinesische Bevölkerung seit Jahren mit hohen Fallzahlen bei Krebs und Diabetes zu kämpfen haben (es gibt alleine 140 Millionen Diabetiker und es sterben jedes Jahr mehr als eine Millionen Chinesen an den Folgen von Diabetes) ist eine von den Machthabern nicht zu kontrollierende Krankheit ein Zeichen von Schwäche und würde so auch von der Bevölkerung gesehen.
Dabei ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Krankheiten gut an dem Beispiel von dem Frosch aufzuzeigen den man in lauwarmes Wasser setzt und langsam zum kochen bringt und der Frosch verbrüht, wenn man allerdings den Frosch direkt in heißes Wasser setzt, springt er sofort raus.
Auch wenn es hier nicht wirklich passt, aber das erinnert mich dann an die Garnelen die ich lebend in die heiße Pfanne werfe und die auch versuchen rauszuspringen.
Also was für eine Alternative hat die chinesische Regierung ohne ihr Gesicht zu verlieren. Ich habe noch nicht viele intelligente Lösungen (nein eigentlich gar keine) dazu gehört.
Doch zurück zu den von mir beobachteten Pinguin Gruppen, eine geht in Haus 10 und die andere in Haus 8 (wir wohnen in haus sieben), so dass dieser Kelch wohl an uns vorübergegangen ist. Wir beobachten und tauschen uns über WeChat mit anderen darüber aus wie etwa gegen 23:00 mehrere Personen von Pinguinen begleitet zu bereitstehenden Krankenwagen gebracht werden um zu einem weiteren Test gebracht zu werden.
Meine Mitbewohnerin erklärt mir das es möglich ist das wir in der Nacht alle nochmals zu einem Test gerufen werden (das heißt dann klopft jemand an die Wohnungstüre – da es gewöhnlich keine Klingeln gibt) und schließt sich in einem Akt des zivilen Ungehorsams mit der Bemerkung ein das wenn sie nichts hört sie auch nicht reagieren muss, in ihrem Schlafzimmer ein. Mich lässt das mit einem Gewissenskonflikt zurück, da ich einen sehr leichten Schlaf habe. Was also mache ich wenn es tatsächlich klopft – ignoriere ich das auch einfach?
Ich lenke mich nochmals mit den Gedanken über eine chinesische Lösung ab und komme auf den Gedanken, wenn schon eine covid null Strategie unvermeidlich ist (und das scheint aus o.g. Grund so zu sein) dann wenigstens die Methoden zu ändern. So könnte man in einem Land das bestens vernetzt und die besten Überwachungssystem hat sicherlich infizierte Personen z.B. mit Fußfessel und entsprechenden Bewegungsmeldern an den Wohnungen ausstatten so dass ein unerlaubtes entfernen aus der Wohnung unmöglich ist bzw. sofort registriert wird und sie damit nicht in die aufwendigen Quarantänelager müssten.
Ich bitte dich jetzt nicht vor Entsetzen aufzuschreien, wie ein freiheitlich erzogener und denkender Mensch so etwas vorschlagen kann. Aber tatsächlich sitzen wir z.Zt. alle die in einem Lockdown sind wegen einiger weniger Menschen in Gruppenhaft und dann ist der oben gemachte Gedanke von mir gar nicht so abwegig. Es wäre sozusagen eine telemedizinische Lösung der corona Problems. Dazu muss man in China wissen das ja jedes Bürogebäude, jeder Wohnblock etc. eine Überwachungszentrale hat in der auf x Bildschirmen all die Kameras die außen und innen angebracht sind beobachtet werden. Also wenn die Chinesen das schon gewöhnt sind (und es geschieht ja nicht im heimlichen) dann kann man es auch richtig nutzen.
Über den Gedanken dies der örtlichen Gesundheitsreferentin die ich aus unserem Projekt hier kenne vorzuschlagen, schlafe ich ein, werde nicht von klopfen geweckt und lese am nächsten morgen in der WeChat Gruppe das ein Teil der kritischen Personen um 3:00 morgens zurückkamen und die anderen in Quarantäneeinrichtungen gebracht wurden. Außerdem sehe ich bei einem Blick aus dem Fenster das wieder vor jedem Block ein Pinguin postiert ist der darauf achtet das niemand das Haus verlässt. Vorteil ist das wir unseren Müll wieder einfach vor die Türe stellen dürfen, der dann von den Pinguinen abgeholt wird. So kann man der Situation doch auch etwas positives abgewinnen..
. In einem der Fünfjahrespläne vor etwa zehn Jahren wurde entschieden, die Mehrzahl der Bevölkerung in Wohnblocks von zwanzig bis dreißig Etagen mit jeweils vier bis fünf Wohnungen je Etage umzusiedeln. Meist etwa zwanzig solcher Blocks ergeben ein sogenanntes Dorf (niedlicher Begriff) und sind durch hohe Mauern und meist Elektrodraht oder Stacheldraht eingefriedet (dieser Begriff passt tatsächlich, da dies dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen entspricht und auf die Bauweise der alten Hutongs zurückzuführen sind, haben natürlich auch einen ganz praktischen Nebeneffekt der hundertprozentigen Kontrolle). Meist hat ein solches „Dorf“ zwei bis drei Ein- und Ausgänge, die durch entsprechendes Personal kontrolliert werden. Innerhalb der befriedeten Anlage gibt es sehr schön angelegte Grün- und in manchen Dörfern auch Wasserflächen. Außerdem ist in fast jedem Block im Parterre (in China ist übrigens das Parterre der first floor und der erste Stock second floor usw. und in vielen Gebäuden wird die Nummer vier vermieden, d.h. es gibt keine vierte Etage, keine Wohnung mit der Nummer vier usw. – der Hintergrund ist das das Schriftzeichen für vier und Tod sehr ähnlich sind und da der Chinese nun mal sehr abergläubisch ist…) ein Gemeinschaftsraum mit Sportgeräten wie Tischtennis, Trimgeräten und ähnlichem. Hinter der Eingangstüre jeden Blockes geht es dann ziemlich anonym zu. Eigentlich kennt man niemanden im Block und die Chinesen schauen mich immer ganz verwundert an wenn ich sie bei zufälligen Begegnungen freundlich (und dann noch auf Chinesisch) begrüße. Die Wohnungen selber haben landesweit (wie ich bei verschiedenen Besuchen feststellen konnte) eigentlich immer den gleichen Zuschnitt. Direkt hinter der Wohnungstüre betritt man einen recht großen Wohnraum der in erster Linie als Essplatz dient. Viele dieser Wohnräume sind mit großflächigen TV ausgestattet so dass die Familie beim und nach dem Essen die News nicht nur auf dem Iphone sondern parallel auch am Bildschirm verfolgen können. Dem Wohnraum folgt meist ein großer Wintergarten ähnlicher Balkon auf dem häufig die Waschmaschine zu finden ist und die Wäsche wird dann an unter der Balkondecke befindlchen Metallstangen aufgehängt. Ebenfalls in direkter Anbindung zum Wohnraum ist der wohl wichtigste Raum für die Chinesen: die Küche. Durch eine Glasschiebewand getrennt, befindet sich hier alles um die überlebenswichtigen Essenszeremonien vorzubereiten. Des weiteren gehen dann vom Wohnraum die Schlaf- und Badezimmerräume ab, die sehr funktional sind. Wenn man eine solche Wohnung mietet, ist sie in der Regel mit allen normalen Funktionsmöbeln ausgestattet, so dass ein Umzug in China sehr unkompliziert vonstattengehen kann. Meist bestehen die Wohnungen aus zwei bis drei Wohnräumen, da der chinesischen Tradition folgend die Eltern eines Ehepaars mit in der Wohnung wohnen um auf die Kinder aufzupassen und für die Familie zu kochen, einkaufen, säubern usw. Um nun wieder auf den Gasverbrauch zurück zu kommen. Wirklich geheizt wird in diesen Wohnungen nicht. Es gibt zwar in jedem Raum ein elektrisch betriebenes Klimagerät, das aber in erster Linie im Sommer zum kühlen genutzt wird aber nicht so sehr im Winter zum Heizen. Es ist überhaupt üblich in dicken Steppjacken in den Wohnungen zu sitzen, wie dies ja auch am Arbeitsplatz üblich ist. Was würde es wohl für den weltweiten Energieverbrauch bedeuten wenn es sich alle Chinesen so gemütlich Warm machen würden wie wir Westler es so gewöhnt sind. Ich bin ehrlich, am Anfang war es für mich eine große Umstellung und auch wenn ich durch mein (heiß/kalt) Duschen am Morgen ganz gut abgehärtet bin fand ich Wohnungsinnnentemeraturen von unter zehn Grad nicht gemütlich. Aber nach etwa zwei Wochen hatte ich mich daran gewöhnt, auch weil ich einfach häufiger am Tag in das dann doch wärmere Bett ging. Um nun zu der aktuellen Gasversorgung in Deutschland Stellung zu nehmen, wenn die Mehrzahl der Deutschen das freiwillig praktizieren würden was ich gezwungenermaßen machen musste könnte man ganz schön viel Gas sparen. In China gibt es da natürlich auch die Extreme. So wurden wir zum chinesischen Neujahrsfest von Freunden zum Dinner eingeladen. Zur Vorbesprechung trafen wir uns mit der Gastgeberin zum Tee in ihren Privaträumen. Da ich das nicht wusste ging ich gut vorbereitet, d.h. mit Hemd Rollkragenpullover und Jacke zu dem Tee Meeting. Wir wurden aber in einen Raum geführt der auf 23 Grad geheizt war was mir zahlreiche Schweißausbrüche bescherte und ich so unauffällig wie möglich einige meiner Kleidungsstücke entledigte. Zum eigentlichen Neujahrsdinner am darauffolgenden Tag zog ich bei Außentemperaturen von um die Null Grad nur ein dünnes Hemd (natürlich auf dem Weg mit einer Jacke) an und wurde jäh enttäuscht da das Dinner in der Gemeinschaftsküche stattfand und nicht geheizt war. Also musste ich meinen Mantel anbehalten was dann doch ein eher unbequemes Essen war. Oder bei einem Besuch der Familie meiner Mitbewohnerin im Dezember im Westen Chinas freute ich mich aus dem kalten Shanghai und der nicht geheizten Altbauwohnung in Shanghai darauf in eine geheizte Neubauwohnung zu kommen. Ich war sehr erstaunt einen Heizofen vorzufinden der aber mit dem Hochzeitskleid der Besitzerin zugehängt war und alle bei geöffneten Fenstern (bei ca. fünf Grad Außentemperatur) in dicken Steppjacken im Wohnraum sitzen zu sehen. Das erklärte dann auch warum alle nach dem Dinner relativ früh schlafen gingen.